1. LGH Mathe-Sprach-Austausch

am Lyceum „Naukova Zmina” (Kiew, Ukraine) - 18.-25. September 2010

am LGH (Schwäbisch Gmünd, Deutschland) - 9.-19. Oktober 2010

Am 19.10.2010 ging die zweite Phase des Austauschprojektes zwischen dem LGH und dem Lyzeum „Naukova Zmina” (was auf Deutsch „Wissenschaftlicher Nachwuchs” bedeutet) aus Kiew erfolgreich zum Ende. Eine Woche in Kiew (18.09.-25.09.) und 10 Tage (09.10-19.10.) am LGH haben sich 22 Schüler und 4 Lehrer beider Schulen einem gemeinsamen Projekt gewidmet, dem Erlernen eines mathematischen Themas: „Anwendungen der komplexen Zahlen in der Geometrie”, das in keinem der Länder zum Schulstoff gehört. Es wurden viele Unterrichtsstunden zu diesem Thema in beiden Sprachen gehalten. Auch der Entwicklung, dem Basteln und der Lösung von verschiedenen Knobelaufgaben, was ein besonderer Schwerpunkt im Lyzeum „Naukova Zmina” ist, wurde einige Zeit gewidmet.

Außerdem besuchten unsere Gäste sowohl den normalen LGH-Unterricht in den Fächern Mathematik, Physik, Informatik und English, als auch speziell für sie von Frau Freund eingerichtetes Chemiepraktikum, und haben viel Sport gemeinsam mit LGH-ler getrieben. Auch außerhalb des LGH haben unsere Gäste einiges gesehen: Stadtführungen durch Schwäbisch Gmünd und Stuttgart, wobei bei der letzten besonders auf die tiefe historische Beziehungen zwischen Württemberg und Russland eingegangen wurde, waren im Programm.

Der Besuch des Rechenzentrums der Universität Stuttgart und des mathematischen Forschungsinstituts in Oberwolfach mit dem Museum „Mineralien und Mathematik” gehörten zum Schwerpunkt dieses Austausches. Unvergesslich blieben bei unseren Gästen die Besichtigung des Porschemuseums und ein Parkour-Abenteuer durch den Schwarzwald mit Hochseilgarten und anschließendem Seilflug in eine Höhe von über 100 Meter über einem 300 Meter breiten Tal. Abschließend dürften unsere Gäste ein langes Wochenende in einer LGH-Team erleben. LGH und das Lyceum „Naukova Zmina” haben einen Kooperations-Vertrag unterschrieben und wir freuen uns auf eine Fortsetzung des Austausches im Jahr 2011.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Teamn, KollegInnen und nicht lehrendem Personal des LGH für die tatkräftige Unterstützung dieses Projektes bedanken.

Wir bedanken uns herzlich beim Förderverein unserer Schule für die finanzielle Unterstützung. Natürlich möchten wir uns bei unseren Schülern und Schülerinnen für ihre begeisterte Teilnahme, das Engagement und die tolle Atmosphäre herzlichst bedanken und ihnen allen ein interessantes und erfolgreiches Schuljahr wünschen!

Dr. Olga Lomonosova und Dr. Albert Oganian

Sonntag, 19.09.2010

Gestern sind wir am Flughafen Brispol in Kiew angekommen und haben den Abend in den GastTeam verbracht. Erster Programmpunkt heute: Eine Stadtrundfahrt durch Kiew mit dem Bus. Wir wurden von unseren Austauschpartnern zur Schule begleitet, wo wir uns trafen, um gemeinsam zum Bus zu laufen. Die ukrainischen Schüler nahmen nicht an der Rundfahrt teil, da diese in Deutsch war und es deshalb für sie weniger interessant gewesen wäre.

Zunächst erklärte uns der Touristenführer einige Daten und Fakten über die Ukraine und ihre Hauptstadt Kiew. Interessant war, dass die Schätzungen der Einwohnerzahlen zwischen 2.500.000 und 6.000.000 variierten. Erklärt werden konnte es dadurch, dass Einwohner und Arbeiter nicht mehr registriert werden müssen und es somit auch keine genauen Angaben über eine Bevölkerungsanzahl gibt.

Während wir an gewaltigen Hochhäusern, mehrstöckigen Wohnblöcken und Einkaufszentren vorbeifuhren, erfuhren wir, dass diese auf „wackeligem” Untergrund standen. Sie waren auf Sand gebaut, auf Sand, der vom Fluss Dnepr aufgeschwemmt wurde. Riesige Bettonpfeiler, die in den Boden geschlagen wurden, bilden den Untergrund für diese Wohnbauten und geben ihnen seit Jahren Halt und Stabilität.

Der Fluss Dnepr, teilt die Hauptstadt in zwei Hälften, die durch Brücken miteinander verbunden sind. All das, bisher von uns gesehene, ist seit Anfang der 60er Jahre des 20.Jhr. entstanden und immer noch wird ein Hochhaus nach dem anderen errichtet.

Unser Weg führte uns weiter und über eine der Brücken, in die eigentliche, etwa um 500 nach Christus gegründete, Stadt Kiew. Man erzählt sich, dass die Stadt von vier Geschwistern, Kyj, Schtschek, Choriw und Lybid aus dem Stamm der Poljanen gegründet wurde, die auf drei Anhöhen Dörfer bauten. Sie errichteten noch eine Festung, die sie nach dem ältesten Bruder benannten („Kiew” = „Stadt von Kyj”, altrussisch und ukrainisch: Kyjiw).

Von der Brücke aus konnten wir einige Highlights der Stadt sehen. Es bot sich ein wunderschöner Anblick über den Dnepr und seine Sandstrände, an denen im Sommer sogar gebadet werden konnte. Außerdem sah man die goldenen Kuppeln des Höhlenklosters „Lavra” und einen gewaltigen stählernen Bau, die Mutter-Heimat-Statue (russ.: Skulptura „Rodina-mat”). Mit einer Höhe von 62 Metern und einem 40 Metern hohen Sockel ist sie höher als die New Yorker Freiheutsstatue. Unter der Skulptur befindet sich ein Museum über den Zweiten Weltkrieg, Stalin und die Rote Armee.

Wir fuhren an einer Kirche vorbei, deren Architektur nicht mit dem Stil der umstehenden Gebäude übereinstimmte, deren Anblick uns aber nicht fremd vorkam. Der Touristenführer erklärte uns, dass es einer der einzigen römisch-katholischen Kirchen in ganz Kiew, die St. Nikolauskirche, war.

Als wir an der nächsten Ampel hielten, wendeten sich unsere Köpfe nach rechts, wo Kräne und Baumaschinen arbeiteten. Hier entstand das neue Stadion für die 2012 geplante Fußball-Europameisterschaft, auf die alle Ukrainer schon sehnsüchtig warten.

Die Ampel wurde grün und es ging weiter. Neben dem, das es permanent bergauf und bergab ging, änderte sich auch der Straßenbelag von glattem Teer in altes und unregelmäßiges Kopfsteinplaster. Sehr amüsant, wenn man gerade versuchte zu fotografieren.

Als nächstes führte uns unsere Tour an dem Hauptgebäude der Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kiew vorbei, das dank seines „unauffälligen” kaminroten Anstrichs nicht zu übersehen war. Die zahlreichen Fakultäten waren über das Stadtzentrum verteilt zu finden.

Vorbei am ehemaligen KGB-Hauptsitz fuhren wir zur ersten Station, an der wir ausstiegen, dem „Goldenen Tor”. Das Tor wurde auf den Befehl des Kiewer Großfürsten Jaroslaw des Weisen von 1017-1024 gebaut. Als Muster diente das Goldene Tor von Konstantinopel. 1240 wurde es von mongolischen Truppen des Batu Khan beschädigt. Das Tor blieb bis zum 18. Jahrhundert der Haupteingang in die Stadt und dient oft zeremoniellen Zwecken.

1832 wurden die Reste des Tores rekonstruiert. Weitere Rekonstruktionsarbeiten wurden in den 1970er Jahren durchgeführt, dabei wurde auf den Resten des Tores das neue, rekonstruierte Tor gebaut. Das neue Tor, das ein Museum beherbergt, wurde 1982 anlässlich des 1500-jährigen Bestehens von Kiew eröffnet.

Direkt neben dem Tor befindet sich ein kleiner Park, indem bei unserem Besuch gerade eine Szene für einen Film gedreht wurde. Boden, Sträucher und umstehende Bäumen waren mit Kunstschnee bedeckt und das Gebiet abgesperrt. Leider konnten wir nicht herausfinden, welcher Film aufgenommen wurde.

Auf dem großen Platz vor ihrem Glockenturm, der nachträglich gebaut wurde, blieben wir stehen und ließen uns die Geschichte dieses beeindruckenden Bauwerks erklären. Die Sophienkathedrale (ukr.: Sofijskij sobor) in Kiew gilt als eines der herausragendsten Bauwerke europäisch-christlicher Kultur. Sie wurde Anfang des 11. Jahrhunderts begonnen, im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zerstört, umgebaut und erweitert. Sie gehört seit 1990 zum Weltkulturerbe der UNESCO und besitzt die höchste Auszeichnung „Der Kristallapfel”.

Am anderen Ende des Platzes stand eine Statue und in der Ferne sah man die prachtvollen Kuppeln einer weiteren Kirche in der Hauptstadt, die Klosterkirche St. Michael. Den kurzen Weg dorthin beschritten wir zu Fuß und kamen dabei am „Intercontinental” einem sehr bekannten Hotel vorbei. Wieder standen wir auf einem Platz auf dem drei Skulpturen aus Carrara-Marmor standen. Ein Denkmal für den Apostel Andreas, die Regentin Olga und Kyrill Method. Hinter ihnen stand eingroßes Gebäude, die „Diplomatenakademie”, daneben das Außenministerium und weiter rechts St. Michael, in himmelblau mit goldenen Kuppeln.

Zu Fuß ging es weiter. Das Ziel: eine Aussichtsplattform. Es bot sich ein wunderschöner Blick über Kiew und den Dnepr mit seinen Stränden und Brücken. Außerdem sah man eine Statue mit einem gewaltigen Kreuz in der Hand. Sie zeigt Wladimir den Heiligen am Flussufer des Dnepr, der durch seine Taufe das Christentum ins Land brachte. Tatsächlich ließ dieser sich Taufen, doch war dies nur ein diplomatischer Schachzug, der ihm politische Vorteile brachte.

Am Ende unserer Rundfahrt stand eine weitere Kirche: Die St. Andreas Kirche. Sie stand erhöht, auf dem Flachdach eines Hauses, das sich auf einer der ältesten Straßen der Stadt am Anfang der Andreasstiege befindet. Mit ihrer smaragdgrünen Fassade und den goldenen Kuppeln thronte sie wie eine Königin über der Stadt und bildete einen gelungenen Abschluss.

Mit dem Bus ging es wieder zurück zur Schule, wo uns unsere Austauschpartner erwarteten und wir die Pläne für den Nachmittag besprachen. Vorgeschlagen wurde der Besuch eines Miniatur-Museums, das sich auf dem Gelände des Höhlenklosters befand.

So vereinbarten wir die Metrostation als Treffpunkt und machten uns um ca. 16:00 Uhr gemeinsam auf den Weg in die Stadt. Angekommen, ausgestiegen, gesammelt und weiter ging es. Zwei lange und steile Rolltreppen hinauf. Kein Wunder: Wir befanden uns über 200 Meter unter der Erde in der tiefsten U-Bahn Station Europas.

An der Erdoberflche ging es zu Fuß zum Kloster „Lavra”. Wieder waren es die gewaltigen goldenen Kuppeln, bunten Fresques und riesige Türme, die uns zum Staunen brachten. In einem Nebengebäude, etwas unscheinbar, das Miniaturmuseum. Darin waren die Werke eines Künstlers ausgestellt, der so filigrane Dinge erschaffen hat, dass diese nur durch Vergrö- ßerungsgläser bestaunt werden konnten. Eine Rose in einem Haar, Schuhe für einen Floh und ein Schachspiel auf einem Nagelkopf konnten beispielsweiße entdeckt werden. So etwas hatte keiner von uns jemals gesehen.

Nach dem Museumsbesuch erkundeten wir das Gelände des Höhlenklosters. Zunächst betra- ten wir den Kirchenraum. Dabei bedeckten Frauen ihren Kopf mit einem Tuch oder Schal. Da gerade ein Gottesdienst abgehalten wurde, blieben wir nicht lange. Hinter der Kirche entdeckten wir später eine Aussichtsplattform, von der aus man ganz Kiew sehen konnte. Dort machen wir eine kurze Pause und verließen danach das Klostergelände. Dabei entdeckten wir einen großen Stein, der eingezäunt und überdacht war. Es war ein Stuck des Glockenturms, das bei der Zerstörung der Kirche 1942, genau an dieser Stelle heruntergefallen war.

Wir gingen durch einen großen Park mit Springbrunnen, Aussichtsplattformen und imposanten Gebäuden. Dann über eine Brücken, an deren Geländer viele Vorhängeschlösser gehängt und Namen geschrieben waren. Am Tag der Hochzeit wurden dort diese Schlösser ineinander verketten befestigt. Als wir am Wassermuseum ankamen, war dieses bereits geschlossen. Da alle schon müde und hungrig waren entschieden wir gemeinsam in das Einkaufszentrum „Globus” zu gehen, das teilweise unterirdisch war. Auf dem Weg dorthin kamen wir auch am Marionettentheater vorbei und an zahlreichen anderen Sehenswürdigkeiten.

Essen, viel Essen und noch mehr Essen. Pizzaria, McDonalds, typisch ukrainische Küche und alles was das Herz begehrt. Uns bot sich eine große Auswahl an Speisen und so war für jeden etwas dabei. An einem großen Tisch versammelt unterhielten wir uns auf Russisch, Ukrainisch, Deutsch und Englisch. Sprachenchaos, aber es funktionierte.

Als es schon dunkel war, machten wir uns auf den Heimweg. Da die Haupteinkaufsstraße, auf der wir uns befanden, Sonn- und Feiertags für den Straßenverkehr gesperrt wurde, schlenderten wir gemütlich zur Metro-Station. Alles war beleuchtet, glitzerte und funkelte. Wir blieben an einer Säule stehen, auf der eine blaue Weltkugel thronte, welche vier Tauben umflogen. Im Sockel waren die Entfernungen zu allen Hauptstädten eingraviert und im Kopfsteinpflaster waren ebenfalls einpaar Städte mit Richtung und Entfernung dargestellt.

Wir gingen die Straße, über die leuchtende Girlanden gespannt waren, bis zum Ende hinunter und zur Metrostation vor dem beleuchteten Opernhaus. Müde, aber fasziniert und überwältigt von den vielen Eindrücken des heutigen Abends fuhren wir nach Hause.

Alina Tenev, JGS 11

Reise ins Ungewisse - Mit Mathematik nach Kiew

Der Artikel für die Schülerzeitung „Der Farbfleck”

Wir schreiben Samstag, den 19. September 2010. Auf dem Flughafen München-West, auch bekannt als Allgäu-Airport und höchsten Flughafen Deutschlands, treffen sich um Punkt 12:40 Uhr Mathematiker, 14 an der Zahl. Ihr Ziel liegt weit im Osten, auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, der ersten Hauptstadt des russischen Reiches, Kiew. Ihre Mission lautet: mathematisch-kultureller Austausch, was auch immer man sich darunter vorstellen mag.

OK, genug von James Bond. 12 Schüler der 10., 11. und 12. Klasse des Landesgymnasiums für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd und die beiden Mathematikdozenten mit ukrainischen Wurzeln, Frau Dr. Lomonosova und Herr Dr. Oganian, bestiegen das Flugzeug und hoben ab - ohne Komplikationen. Auf dem Weg wurden noch eifrig russische Floskeln gelernt, mithilfe derer man sich im fremden Land zurechtfinden sollte. Die überwiegende Mehrheit hatte Russisch nie im Unterricht gehabt. Nach der Landung war die Spannung groß: Wie würden die Gastschüler und -Teamn sein und wie das Essen? Doch diese Sorgen verflogen nach dem ersten Abend in der Team.

Für manche ging es am Anfang gleich zur Sache. So konnte einer gleich zu Beginn 30km hinaus aus der Stadt aufs Land fahren und dort in einer sogenannten „Datscha”, einem Landhaus, übernachten, nach dem er zuvor einer ausgelassen feucht-fröhlichen ukrainischen Geburtstagsfeier beigewohnt hatte.

Für die Anderen hieß es: Ab in geräuschvolle Aufzüge und in die Höhe. Die Fahrt erforderte ein gewisses Maß an Mut, was aber nicht überraschte, stammten sie doch zum Großteil aus der tiefroten ?ra. Ruckeln, Klappern und fehlendes Licht waren keine Seltenheit. Ab und an waren sie ausgefallen (das bedeutete 15 Stockwerke hinauf und hinunter zu Fuß) oder sie hielten unbestätigten Berichten zu Folge während der Fahrt an, sobald man auf der falschen Stelle stand. Der Technische ?berwachungsverein hätte wohl seine Freude daran.

Im Gegensatz zu den Aufzügen und den Gebäuden, waren die eher kleinen Wohnungen, die für ukrainische Verhältnisse umgerechnet schier unbezahlbare 100.000 kosteten, jedoch liebevoll hergerichtet. Alles in allem konnte man sich durchaus wohlfühlen und die GastTeamn waren wirklich sehr nett. Speisen und Getränke waren lobenswert, verglichen mit britischen Standards geradezu phänomenal. Die ukrainische Küche verfügt über verkannte Köstlichkeiten wie zum Beispiel „Wareniki” (kleine Teigtaschen, ähnlich wie Ravioli, gefüllt mit Kartoffeln, Quark oder Sauerkirschen). Auch die Nationalspeise „Borschtsch”, eine Art Gemüsesuppe, ist kulinarisch von Wert. Sie wird traditionell mit viel saurer Sahne (sehr typisch für die ukrainische Küche) und „Pampushka” (Hefezopf bestreut mit viel Knoblauch und übergossen mit heißem Wasser) gegessen. Touristisch hatte Kiew viel zu bieten. Kathedralen mit Goldkuppeln und das Große Tor (übrigens vertont in Mussorgskis „bilder einer Ausstellung”) waren nur einige der zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Auf zwei Stadtrundgängen und -fahrten konnte die famose Innenstadt genossen werden, die das Bild im Vergleich zu den postzaristischen Stadtteilen kontrastierte. Ein Ausflug nach Uman in einen 200 Jahre alten Naturpark, der einer der sieben Wunder der Ukraine ist, führte uns zudem durch 200 Kilometer für die Ukraine typische riesige Feld- und Wiesenflächen in den Süden.

Zuletzt zu der Schule mit welcher der Austausch vollzogen wurde. Das „Lyzej Naukova Zmi- na”, auf Deutsch Lyceum „Wissenschaftlicher Nachwuchs”, eine Schule für Hochleister und eine der besten in Kiew, gegründet 1992, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Un- abhängigkeit der Ukraine, war das Zentrum des schulischen Austauschs. Dieser bestand, aufgrund der Fachrichtung der organisierenden Lehrer, vor allem aus Mathematik. Deutsche und ukrainische Schüler lernten die Grundlagen der Komplexen Zahlen, „Komplekssnye Tschissla” bilingual, das heißt, das Gesagte wurde jeweils in die andere Sprache übersetzt. Dies führte zwar zu einem verlangsamten Tempo, war aber eine Erfahrung, die man nicht alle Tage macht.

Ein besonderes Ereignis war der „Runde Tisch”, an dem über die Zukunftsperspektiven der Schüler geredet werden sollte. Sehr bald konzentrierte sich die Diskussion auf die unterschiedliche Unterrichtsphilosophie. Die Deutschen kritisierten die ihrer Meinung nach zu hohe Disziplin und damit fehlende Ausbildung der Persönlichkeit. Das sahen die Ukrainer nicht so und überraschten am nächsten Tag die Deutschen mit einer Ausstellung in der Schulaula. Dort präsentierten die einzelnen Klassen all ihre Erfolge, hauptsächlich in Sport und Wissenschaftswettbewerben, um ihre Individualität zu demonstrieren.

Der Abschied nach einer Woche fiel schwer, auch wenn man sich in drei Wochen in Schwä- bisch Gmünd wiedersehen sollte. Die deutschen Austauschschüler wurden bei ihrer Abreise mit nach ukrainischer Tradition, Gastfreundschaft wird hoch gehandelt, mit Geschenken geradezu überhäuft. Der Rückflug verlief erneut ohne Probleme und die meisten Schüler kehrten mit Schulbussen noch am Samstagabend in das Internat zurück.

Summa summarum war die Reise mehr als nur Mathematik, auch wenn es auf manche am LGH so gewirkt haben mag, die Mathematik war sozusagen der „gemeinsame Nenner”. Die Teilnehmer lernten einen neuen Kulturkreis kennen, inklusive aller Herausforderungen und ?berraschungen. Im Zähler steht, dass viele Vorurteile gegenüber dem Osten abgebaut werden konnten, manche haben sich bestätigt, doch das gehört in das Kapitel kulturelle Differenzen und macht den Reiz der geschlossenen persönlichen Beziehungen aus. Auf dieser Reise LGH und dem „Lyzej Naukova Zmina” erfolgreich gelegt. Der Dank gilt den organisierenden Lehrkräften Frau Dr. Lomonosova und Herrn Dr. Oganian und ihren ukrainischen Pendants Igor Goldshtein und Olexandr Biedov.

Cornelius Römer, Klasse 11

Rätselstunde

In unserer letzten gemeinsamen Mathestunde haben wir uns nicht mehr mit den Komplexen Zahlen beschäftigt, sondern mit Rätselaufgaben.

Das Besondere dabei war, dass wir zur Lösung der Aufgaben die Rätsel erst selbst herstellen mussten. Dazu sind wir in den Keller, in den Werkraum, gegangen und wurden wir in zwei Mannschaften eingeteilt, in jeder ein Dolmetscher, also „Commanda Alina” gegen „Commanda Oleg”. Jede Mannschaft sollte dann ihre Rätsel anfertigen.

Für das erste mussten wir von je sechs leeren Getränkedosen den Boden in einer Höhe von ungefähr 1cm abtrennen, am besten mit einer Metallschere oder aber auch durch Sägen, und dann die Ränder abschleifen, damit sich keiner daran schneidet.

Für das zweite Rätsel mussten drei Eisenstäbe von einer Länge von 30cm jeweils halbiert werden und dann die sechs 15cm langen Stäbe je in der Mitte im rechten Winkel und an den Enden um ca.1,5 cm eingerückt auch im rechten Winkel gebogen werden. Dafür hatten die beiden Mannschaften unterschiedliche Methoden, die aber letzen Endes beide zu einem einwandfreien Ergebnis geführt haben.

Dass wir innerhalb einer Mannschaft zwei verschiedene Sprachen gesprochen haben, hat keine große Schwierigkeit dargestellt. Wenn man wollte, hat man die anderen immer verstanden und spätestens durch Gestiken wurde klar, was gemeint war. So wurden alle Ideen zur Umsetzung der Aufgabenstellung berücksichtigt und wir waren alle schnell mit der Herstellung unserer Rätsel fertig und konnten mit dem Lösen beginnen. Gemeinsam ging es zurück ins Klassenzimmer, wo sich die Teams an Mannschaftstischen zusammenfanden. Zu den zwei selbstgebauten Knobelspielen bekamen wir noch eine weitere Aufgabe: Es wurden drei Stühle (mit den Lehnen zueinander gedreht) aufgestellt, damit sie in etwa ein Dreieck bilden. Die Herausforderung war es nun, drei Mensamesser so zu platzieren, dass ein Messer je:

  1. mindestens einen Stuhl berührt
  2. die beiden anderen Messer berührt

Aus den Dosenböden sollte ein Würfel entstehen und aus den Drahtecken ein Oktaeder. Da es mehrere Hände benötigt um die Rätselaufgaben richtig zusammenzusetzen, war hier Teamwork gefragt, und wieder stellten unterschiedliche Sprachen kein großes Problem dar.

Beide Gruppen kamen gut voran und die „Messeraufgabe” war schon nach der ersten Minute geschafft. Auch die Würfel nahmen schnell Form an und waren fertig sogar so stabil, dass sie als Bälle durch den Raum flogen, oder als Würfel über den Tisch kullerten.

Der Oktaeder verlangte den beiden Mannschaften schon etwas mehr ab. Viele Helfer waren gefragt, da die einzelnen dünnen gebogenen Eisenstäbe ineinander gehakt und gehalten werden mussten, bis das Konstrukt sich selbst stabilisierte. Eine Mannschaft löste die Aufgabe genau nach Musterlösung, doch bei der anderen hielt das Gebilde (sagen wir mal) „kreativ” zusammen. Zuerst glaubte der ukrainische Lehrer Alexander Vladimirovich nicht daran, dass der Oktaeder seine Form behält, wenn er ihn in die Hand nehmen würde.

Zu sagen ist, dass vor dem Lösen der Aufgaben vereinbart wurde, wann eine Aufgabe bzw. ein Körper als fest und somit gelöst gilt. Seiner Aussage nach wäre das der Fall, wenn er ihn hoch nehmen könnte und etwas drehen, damit er ihn von allen Seiten betrachten kann, und die Figur dabei nicht kaputt geht.

Er musste also zugeben, dass auch diese Methode des Zusammensetzens eine Lösung darstellte. Beide Gruppen, fertig mit den Knobelaufgaben, versammelten sich an der Tafel, wo ein „Streichholzspiel” angezeichnet war. Bis zuletzt fand keiner die richtige Lösung, bis auf den zweiten begleitenden ukrainischen Lehrer Igor Borisovich, der aber auch nichts verraten durfte. Nach einigen weiteren kleineren Knobeleien an der Tafel war die Stunde zu Ende und alle warteten schon gespannt auf die Lösung des Streichholzspiels. Aber wir hatten keine Chance, selbst Bestechungsversuche mit Kuchen halfen nicht, den Lehrern die Lösung zu entlocken.

Im Lyzeum in Kiew werden diese Knobelspiele von einer Schülergruppe selbst entworfen, gebaut und dann, bei einem großen Wettbewerb (quer durch das ganze Schulhaus) von allen Schülern gelöst. Allen hat diese besondere Mathestunde sehr viel Spaß gemacht und vielleicht wird diese Tradition unserer Kiewer Austauschschule auch bald am LGH umgesetzt werden können.

Nina Roider und Alina Tenev, Klasse 11

MatBoj

Insgesamt hatten wir etwa zweieinhalb Wochen auf diesen einen Moment hingearbeitet, eine davon in Kiew, eineinhalb am LGH. Während der gesamten Zeit haben wir uns in mehr oder weniger regelmäßigen Mathematikstunden mit den komplexen Zahlen und deren geometrischen Interpretation befasst. Seinen krönenden Abschluss fand dieser Schwerpunkt des Austauschs also am Montag (am letzten gemeinsamen Tag) im MatBoj.

MatBoj ist russisch und bedeutet „Mathekampf”. Zwei Mannschaften treten gegeneinander an. Bei uns bildeten die Schüler die Mannschaften. Um den interkulturellen Dialog zu fördern, wurden Ukrainer und Deutsche selbstverständlich gemischt. Taugte Englisch nicht als lingua franca, so übersetzte entweder Oleg oder Alina.

Im Vorfeld (vormittags) des eigentlichen Kampfes mussten beide Teams dieselben Aufgaben lösen. Anschließend (nachmittags) forderten sie sich gegenseitig zur Präsentation einer Lösung auf. Ein Mitglied des einen Teams präsentierte, während das Mitglied des anderen Teams die Lösung kritisierte. Sowohl für Vorstellung als auch für Kritik vergab die Jury (Lehrer) Punkte. In unserem Fall drehten sich die Aufgaben um komplexe Zahlen und Geometrie. Außerdem gab es zwei Knobelaufgaben (z.B. eine Figur mit gewissen Eigenschaften aus Knete zu formen).

Die Vorträge wurden immer wieder durch abwechslungsreiche Diskussion über Einzelheiten des Regelwerks unterbrochen, so dass am Ende sogar unklar blieb, welche Mannschaft den Sieg für sich beanspruchen durfte.

Fest steht, dass beide Teams Sieger der Herzen waren und Spaß am freundschaftlichen Wettbewerb hatten.

Frederik Benzing, Klasse 11